Tryptophan: Bedeutung in Diagnostik & Therapie bei ME/CFS

Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, das heißt, sie kann vom Körper nicht selbst hergestellt werden und muss daher über die Nahrung aufgenommen werden. Tryptophan ist ein wichtiger Baustein für Proteine und dient als Vorläufer für die Herstellung von Serotonin und Melatonin, sowie von NAD+, einem wichtigen Vorläufer für die Produktion von Energie. Tryptophan spielt beispielweise auch eine entscheidende Rolle in Hirnbereichen, die mit Verhaltensfunktionen in Verbindung stehen [3]

Erkenntnisse weisen darauf hin, dass dieser spezielle Stoffwechselweg sowohl die Immunantwort als auch die Neuroinflammation beeinflusst. Das Verständnis und die gezielte Beeinflussung dieses Weges könnten daher den Schlüssel zu neuen und effektiveren Ansätzen zur Behandlung von ME/CFS darstellen. [10][12].

  • Der Tryptophan-Stoffwechsel findet in verschiedenen Teilen des Körpers statt, hauptsächlich jedoch im Gehirn und im Darm. Im Gehirn wird Tryptophan in Serotonin umgewandelt, das für die Stimmungsregulation und das Wohlbefinden verantwortlich ist. Im Darm spielt der Tryptophan-Stoffwechsel eine wichtige Rolle bei der Produktion von Serotonin, das an der Regulation der Darmbewegungen und der Schmerzempfindlichkeit beteiligt ist. Darüber hinaus findet der Tryptophan-Stoffwechsel auch in der Leber statt, wo Tryptophan in weitere Stoffwechselprodukte umgewandelt wird, die an verschiedenen Körperfunktionen beteiligt sind.

  • Der Stoffwechsel, auch als Metabolismus bezeichnet, ist ein grundlegender biologischer Prozess, der in den Zellen unseres Körpers abläuft. Er umfasst eine Vielzahl chemischer Reaktionen, bei denen Nährstoffe aus der Nahrung abgebaut, umgewandelt und zur Energiegewinnung, zum Aufbau von Zellstrukturen oder zur Herstellung von wichtigen Molekülen verwendet werden. Der Stoffwechsel ist ein kontinuierlicher Prozess, der für das Überleben und die Funktion jeder Zelle und des gesamten Körpers notwendig ist.

 

Der Metabolismus von Tryptophan kann zwei Wege einschlagen:

  1. den Kynurenin-Weg

  2. den Weg, der zu Serotonin und Melatonin führt.

Der Großteil (ca 90%) des Tryptophans nimmt den Kynurenin-Weg, dessen Endprodukt die wichtige Energiequelle namens NAD+ ist. Doch auf dem Weg zur Produktion von NAD+ können Komplikationen auftreten.

Zur einfachen Verdeutlichung, im weiteren Verlauf werden diese ausführlicher Erklärt:

  • Schützender Pfad: Kynurenin wird in Kynurensäure umgewandelt, einen neuroprotektiven Metaboliten, der den toxischen Metaboliten Quinolinsäure hemmt und Schäden am Nervensystem vorbeugt bzw. vermeidet.

  • Toxischer Pfad: Tryptophan wird zu Kynurenin abgebaut und im Anschluss zu Quinolinsäure umgewandelt. Im Gegensatz zu Kynureninsäure hat Quinolinsäure jedoch neurotoxische Eigenschaften und kann zu Schäden am Nervensystem führen

 

Der Tryptophan Stoffwechselweg Erklärt

  1. Durch inflammatorische Zytokine werden Enzyme (IDO/TDO) aktiviert, die Tryptophan vermehrt in Kynurenin umwandeln. Dies führt dazu, dass der Stoffwechselweg, der zur Produktion von Serotonin und Melatonin führt, weniger bevorzugt wird.

  2. Auch das Enzym (KMO) wird durch inflammatorische Zytokine aktiviert, das führt dazu, dass Kynurenin vermehrt in Quinolinsäure umgewandelt und über produziert wird. Diese Überproduktion beeinträchtigt die Umwandlung zu Kynureninsäure, womit es zu einem Mangel von Kynureninsäure und einem Überschuss von Quinolinsäure kommt.

  3. Eine übermäßige Produktion von Quinolinsäure kann oxidativen Stress in Zellen verursachen. Um diesem entgegenzuwirken, wird vermehrt NAD+ als Substrat für antioxidative Enzyme verbraucht, was wiederum die Verfügbarkeit von NAD+ für die Energieproduktion reduziert.

 

Was ist die Folge eines gestörten Tryptophan-Stoffwechselsweg?

Eine gestörte Tryptophan-Verstoffwechslung kann das Immunsystem beeinträchtigen, Entzündungen fördern und das Wohlbefinden beeinträchtigen. Dies kann zu zahlreichen Gesundheitsproblemen führen. Im folgenden beschränken wir uns zunächst auf drei wesentliche Folgeerscheinungen:

  1. Serotonin- & Melatoninmangel

  2. Überschuss an Quinolinsäure

  3. Mangel von NAD+

 

1. Mangel von Serotonin

Serotonin wird hauptsächlich im Gehirn und im Darm produziert. Es entsteht unmittelbar aus der Aminosäure Tryptophan, die wir über die Nahrung aufnehmen. Serotonin hat vielfältige Funktionen im Körper. Im Gehirn wirkt es als stimmungsaufhellender Botenstoff und beeinflusst unser Wohlbefinden und unsere Stimmung. Im Darm spielt Serotonin eine wichtige Rolle bei der Regulation der Darmbewegungen und der Schmerzempfindlichkeit. Außerdem ist Serotonin bekannt als Vorstufe für das Schlafhormon Melatonin, das den Tag-Nacht-Rhythmus reguliert.

 
  1. Stimmungsregulation:

    Serotonin beeinflusst die Stimmung und wird oft als "Glückshormon" bezeichnet. Ein Ungleichgewicht im Serotoninspiegel kann zu Depressionen, Angstzuständen und Stimmungsschwankungen führen

  2. Schlaf-Wach-Zyklus:

    Serotonin ist ein Vorläufer von Melatonin, einem Hormon, das für die Regulierung des Schlaf-Wach-Zyklus verantwortlich ist. Eine gestörte Serotoninproduktion kann zu Schlafstörungen und Schlaflosigkeit führen. [5]

  3. Chronische Müdigkeit:

    …trotz ausreichender Erholung [4]

  4. Schmerzempfindung:

    Serotonin spielt eine Rolle bei der Schmerzmodulation und kann sowohl schmerzhemmende als auch schmerzverstärkende Wirkungen haben. Betroffene berichten z.B. häufig von Kopfschmerzen [6]

  5. Magen-Darm-Funktion:

    Serotonin ist im Magen-Darm-Trakt weit verbreitet und trägt zur Regulierung der Darmmotilität und -funktion bei. Eine gestörte Serotoninproduktion kann zu Magen-Darm-Beschwerden führen, die häufig bei ME/CFS-Patienten auftreten.

 
    • Appetitlosigkeit oder Heißhunger auf Kohlenhydrate (möglicherweise durch den Versuch des Körpers, mehr Serotonin zu bilden) [1]

    • Hitzewallungen und Temperaturschwankungen, die nicht auf Ihre Umgebung zurückzuführen sind [1]

    • Kopfschmerzen [6]

    • Sozialer Rückzug

    • Traurigkeit und häufige Weinanfälle

    • Geringes Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen

    • Veränderungen in der Persönlichkeit

    • Emotionales Empfinden und persönliches Aufnehmen von Dingen

    • Reizbarkeit

 

2. Überschuss von Quinolinsäure

  • Kynureninsäure ist ein Metabolit im Tryptophan-Stoffwechselweg und wird durch den Abbau von Tryptophan gebildet. Sie hat neuroprotektive Eigenschaften und ist an der Modulation der Immunantwort beteiligt. In einigen Studien wurde beobachtet, dass ME/CFS-Patienten niedrigere Kynureninsäurewerte aufweisen, was auf eine mögliche Störung in diesem Stoffwechselweg hindeutet. Eine verminderte Kynureninsäureproduktion könnte zu einer erhöhten Entzündungsreaktion und neurologischen Symptomen bei ME/CFS beitragen.

  • Quinolinsäure ist ebenfalls ein Metabolit im Tryptophan-Stoffwechselweg und wird aus Kynurenin gebildet. Im Gegensatz zu Kynureninsäure hat Quinolinsäure jedoch neurotoxische Eigenschaften und kann zu Schäden am Nervensystem führen. Hohe Quinolinsäurewerte können zu einer gesteigerten Entzündungsreaktion, oxidativem Stress und neurologischen Symptomen wie kognitiven Beeinträchtigungen beitragen. Einige Studien haben bei ME/CFS-Patienten erhöhte Quinolinsäurewerte festgestellt, was auf einen möglichen Zusammenhang mit der Erkrankung hindeutet.

 

Der Tryptophan-Stoffwechselweg und die damit verbundenen Moleküle Kynurenin- und Quinolinsäure können bei ME/CFS eine wichtige Rolle spielen. Während Kynureninsäure neuroprotektive und entzündungshemmende Eigenschaften hat, kann Quinolinsäure neurotoxisch wirken und zur Entstehung von Entzündungen und neurologischen Symptomen beitragen. Ein Ungleichgewicht zwischen diesen beiden Molekülen könnte zur Entstehung und Aufrechterhaltung von ME/CFS-Symptomen beitragen.

 
    • Brennende oder reizende Schmerzen der Füße und Hände

    • Taubheitsgefühl der Haut

    • Kribbelnde Missempfindung

    • Schwierigkeit Temperaturen richtig zu erkennen und einzuschätzen

    • Diarrhö (Durchfall)

    • Verschwommenes Sehen

    • Obstipation (Verstopfung)

    • Trockener Mund

    • Hohe Empfindlichkeit gegenüber Sonnenlicht

    • eine orthostatische Dysregulation

    • Herzrasen (Palpitationen)

  • Im Zusammenhang mit Neuroinflammation zeigt sich, dass Kynureninsäure, eine neuroprotektive Substanz, bei ME/CFS-Patienten mangelhaft vorhanden ist. Im Gegensatz dazu ist die neurotoxische Quinolinsäure im Überschuss vorhanden. Giftige Substanzen wie Quinolinsäure können die Energieproduktion in den Zellen beeinträchtigen, oxidativen Stress verstärken, die Kommunikation zwischen Nervenzellen stören und den Zelltod in bestimmten Gehirnzellen auslösen. Dies könnte zu den typischen Symptomen von ME/CFS beitragen.

3. Der Mangel von NAD

Ein weiteres bemerkenswertes Detail ist die zentrale Rolle des Tryptophan-Metabolismus in der zellulären Energieproduktion, insbesondere durch die Bildung von Nicotinamidadenindinukleotid (NADH) NAD(H) ist ein wichtiger Cofaktor und spielt eine entscheidende Rolle in zahlreichen zellulären Prozessen, einschließlich dem Energiestoffwechsel zur Produktion von ATP und der DNA-Reparatur. Ein Mangel an NAD kann zu einer Beeinträchtigung dieser Prozesse führen.

Ein Mangel von NAD kann die Fähigkeit unseres Organismus zur Produktion von Energie/ATP vermindern. Ein Mangel an ATP kann weitreichende Folgen für den Körper haben, da dieser die Hauptenergiequelle für zelluläre Prozesse darstellt. Wenn die ATP-Produktion beeinträchtigt ist, können mehrere lebenswichtige Funktionen im Körper gestört werden. Ein Störung dieser Produktion kann eine Vielzahl von Symptomen verursachen kann, die für ME/CFS charakteristisch sind, wie zum Beispiel:

 
  • Chronische Müdigkeit und Erschöpfung

  • Muskelschwäche und Schmerzen

  • Schlafstörungen

  • Konzentrations- und Gedächtnisprobleme

 

Die Rolle des Mikrobiomes

Die Dysregulation des Tryptophan-Metabolismus, insbesondere im Kynureninweg, könnte auf mehreren Ebenen zu ME/CFS-Symptomen beitragen. Sie kann die Energieproduktion, Immunfunktion und neurologische Gesundheit negativ beeinflussen. Interessanterweise könnte der Kynureninweg auch einen Einblick in die häufig bei ME/CFS beobachtete Immundysfunktion bieten.

Das Verdauungssystem, oft als "Friedensstifter des Gehirns" bezeichnet, spielt hier eine zentrale Rolle. Durch die Verdauung von Nahrungsproteinen im Dünndarm wird Tryptophan freigesetzt, das über die Darmwand in die Blutbahn gelangen und zum Gehirn transportiert werden kann. Tryptophan wird auch in mehrere Verbindungen abgebaut, die eine wichtige Rolle bei der Kommunikation zwischen Darm und Gehirn spielen.

Ein Mangel an Butyrat-produzierenden Bakterien und kurzkettigen Fettsäuren kann beispielsweise den Tryptophan-Abbau im Darm steigern. Dies wiederum kann zu einem verringerten Tryptophan-Spiegel führen, der für die Produktion von Serotonin und Melatonin im Gehirn verfügbar ist.

Erhöhte Mengen an Bacteroides-Bakterien könnten diesen Effekt verstärken. Somit kann ein Ungleichgewicht im Darm die Neurochemie und damit auch die Funktionen des Gehirns beeinträchtigen, einschließlich der Stimmungs- und Schlafregulation. Es ist daher essentiell, das Gleichgewicht des Darm-Mikrobioms zu erhalten und bei Anzeichen von Ungleichgewicht entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.



  • [3] https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC7325545/

    [4] Meeusen R, Watson P, Hasegawa H, Roelands B, Piacentini MF. Central Fatigue: The Serotonin Hypothesis and Beyond. Sports Med. 2006;36(10):881-909. doi:10.2165/00007256-200636100-00006

    [5] Pakalnis A, Splaingard M, Splaingard D, Kring D, Colvin A. Serotonin Effects on Sleep and Emotional Disorders in Adolescent Migraine. Headache. 2009;49(10):1486-1492. doi:10.1111/j.1526-4610.2009.01392.x

    [10] https://www.diagnostisches-centrum.de/index.php?id=607&option=com_content&view=article

    [12] https://www.healthrising.org/blog/2023/01/07/kynurenine-chronic-fatigue-fibromyalgia-long-covid/

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